Am 13.07.2024 fand eine grandiose Aufführung der Theater-AG der Erich-Bracher-Schule statt. Unter der Leitung der Lehrkräfte Herr Cavallo und Herr Schefczik, die die Stücke alljährlich selbst entwickeln, wurde dieses Jahr eine Komödie aufgeführt mit dem Titel „Lisa im Wunderland“. Als groben Ausgangspunkt diente hierzu, sehr naheliegend, Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“. Doch die Neuinterpretation bot zahlreiche neue Wege und ein grundsätzlich anderes Setting.
Lisa, gespielt von Lisa Bonna, trifft sich mit ihren FreundInnen zur Abifeier und wird von jeder um einen Gefallen gebeten. Da sie ein Helfersyndrom hat und nicht nein sagen kann, verstrickt sie sich in die Unmöglichkeit, zu einem bestimmten Zeitpunkt an drei verschiedenen Orten sein zu müssen. Hinzu kommt, dass ihr Freund seit Kindheitstagen Dennis, gespielt vom umtriebigen Dennis Nadler, absichtlich ein anderes als das ursprünglich favorisierte Studienfach wählt, um mit Lisa in derselben Stadt zu studieren. Und das nur, damit sie sich um seine Termine und Fristen kümmern kann. Dass er aufgrund des spontanen Wechsels des Studienorts auch erst einmal bei ihr wohnen muss, versteht sich schon fast von allein. Nachdem Lisa bewusst wird, in welchem Dilemma sie steckt, nimmt sie auf der Feier einen Schluck zu viel und fällt um.
Als sie erwacht, rennt ein aufgekratztes Kaninchen, das wie Dennis aussieht, um sie herum und schreit wild gestikulierend „Ich komme zu spät!“. Das dauergestresste Kaninchen erklärt sie kurzerhand zu seiner persönlichen Assistentin und nimmt sie für seine Probleme in Beschlag. Lisa ist kaum einen Moment allein, da taucht die Grinsekatze auf, die von Theresa Krajsic verkörpert wird. Sie nimmt sich ihrer an und eröffnet ihr die Möglichkeit, ins Wunderland zu reisen, warnt sie aber, denn „der Eintritt kostet den Verstand“.
Nach kurzem Zögern entschließt sich Lisa dazu und erlebt große Parallelen zur Realität. Die faule Waschbärin (Anna Bravermann) klagt Lisa ihr Leid. Sie müsse die Wäsche der Herzkönigin waschen, habe aber empfindliche Hände und ehe die ZuschauerInnen dem Dialog gefolgt sind, übernimmt die Lisa mit dem zu großen Herz die Aufgabe. Immer wieder im Stück erscheint die verspielte Grinsekatze und stiftet Chaos oder kommentiert distanziert und belustigt den Fortgang der Handlung. So treibt sie das Geschehen auch hier voran und kippt ein Färbemittel in die Wäsche der Herzkönigin. Da diese aber unbedingt und ausschließlich auf weißer Wäsche liegen möchte, setzt die Abwärtsspirale ein. Immer mit dem Auftrag, etwas für andere zu erledigen, findet sich die Protagonistin plötzlich am Tisch des wirren Hutmachers (Dean-David Treiber) wider, der im Beisein der Wölfin (Emilija Hüber) der Idee anheimfällt, dass Lisa seine Verlobte sein müsse.
Als dann die furchteinflößende Herzkönigin (Sena Atas) erscheint, legt das Stück noch einmal an Tempo zu. Hektisch versuchen die Fantasiewesen ihre Fehltritte auf den gemeinsamen Sündenbock Lisa abzuwälzen. Das eskaliert in einem interaktiven Schauprozess, die ZuschauerInnen – buhen und jubeln nach Aufforderung mit – endgültig und das Urteil ist, Lisa zu zerteilen, damit jeder ein passendes Teil von ihr hat, das auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Wieder ist es die Grinsekatze, die Lisa den entscheidenden Hinweis gibt, sodass sie erkennt, dass sie sich wehren muss. Als die VerräterInnen sich daran machen, Lisa auseinanderzureißen, befreit sie sich kraftvoll und sinkt hinterher erschöpft zu Boden.
Nach dem letzten Szenenwechsel erwacht Lisa wieder dort, wo sie zu Ende des ersten Aktes umgefallen war. Sie ist zurück in der Realität. Ihre FreundInnen zeigen sich erleichtert, dass sie aus dem komatösen Zustand erwacht ist, sind aber noch die selben vereinnahmenden Persönlichkeiten wie eingangs des Stückes. Somit muss Lisa sich ein letztes Mal emanzipieren und geigt allen Anwesenden zum ersten Mal so richtig die Meinung. Sie befreit sich also von den Ansprüchen ihrer FreundInnen, gesteht sich selbst ein, dass sie mehr auf sich achten muss und auch die Clique beginnt, sich den eigenen Problemen zu widmen statt sie auf Lisa abzuwälzen.
Unter großem Applaus und mit lauten Pfiffen gaben die ZuschauerInnen ihren Beifall kund. Schon im Vorfeld haben Hr. Cavallo und Hr. Schefczik gemutmaßt, dass dieses Stück das beste seit langem sein könnte und wurden keine Lügen gestraft. Das lag sicher nicht zuletzt an den großen Darbietungskünsten der SchülerInnen, die ihren Rollen immer die richtige Energie verliehen. Das ist besonders erwähnenswert, da zwei prägende Figuren von einer Fachabiturientin und einer Abiturientin gespielt wurden. Hier zeigt sich wieder, wie viel Engagement und Herzblut hinter so einer Leistung steckt, wenn man neben dem Prüfungsstress noch wöchentlich zur Theater-AG geht, um einmal im Jahr ein solch tolles Stück aufzuführen.